Gerade für junge Menschen zentral: Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit

Gerade für junge Menschen zentral: Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit

Prof. Dr. Christoph Butterwegge hat von 1998 bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln gelehrt und zuletzt das Buch „Umverteilung des Reichtums“ (2024) veröffentlicht. In seinem BAItrag skizziert er, welche Themen seiner Meinung nach für Jugendliche in diesem Wahlkampf wichtig sein sollten. (Foto: Wolfgang Schmidt)


Seit etwa drei Jahrzehnten nimmt die Armut von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu. Inzwischen wachsen rund drei Millionen junge Menschen in Familien auf, die nach EU-Kriterien einkommensarm oder zumindest armutsgefährdet sind. Trotzdem ist bisher keine Bundesregierung konsequent gegen diesen familien- und sozialpolitischen Langzeitskandal vorgegangen.

Die am 7. Dezember 2021 von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gebildete Ampelkoalition wollte mit ihrer Kindergrundsicherung für Abhilfe sorgen, stritt aber monatelang über die konkrete Ausgestaltung ihres sozial- und familienpolitischen Prestigeprojekts. Ihr mit erheblicher Verspätung eingebrachter Gesetzentwurf war bloß noch eine Schrumpfversion des Ursprungskonzepts. Schon bevor die Ampelkoalition zerbrach und mit ihr die Kindergrundsicherung scheiterte, war daraus wegen des teils offenen, teils verdeckten Widerstandes der FDP eine Reformruine geworden.

Nach der Bundestagswahl am 23. Februar wird es kaum einen neuen Anlauf für die Kindergrundsicherung geben, weil sich CDU und CSU auf die Verbesserung der Bildungsinfrastruktur konzentrieren wollen. Zwar darf sich die Kindergrundsicherung nicht auf eine individuelle Geldleistung beschränken, sondern muss auch eine infrastrukturelle Förderung beinhalten, weil die soziale, Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur gerade für „Problemfamilien“ von größter Relevanz ist. Kinder und Jugendliche brauchen allerdings beides: eine materiell gesicherte Familie und eine gute Infrastruktur. Was nützt ihnen das beste Bildungssystem, wenn ihren Eltern das Geld fehlt, um sie gesund zu ernähren, gut zu kleiden und in einem eigenen Zimmer unterzubringen?

Obwohl der Ruf nach mehr „Generationengerechtigkeit“ dies nahelegt, verläuft die soziale Scheidelinie in unserem Land nicht zwischen Jung und Alt, sondern nach wie vor, ja mehr denn je zwischen Arm und Reich. Die wachsende Ungleichheit ist das Kardinalproblem unserer Gesellschaft, Gift für den sozialen Zusammenhalt und eine Gefahr für die Demokratie, wie nicht zuletzt die jüngsten Wahlerfolge der AfD zeigen. Sie erzeugt sozialen Sprengstoff, verschärft ökonomische Krisentendenzen und verhindert ökologische Nachhaltigkeit. Den gesellschaftlichen Zusammenhalt kann man nur stärken, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich geschlossen wird. Dabei geht es vorrangig um mehr Verteilungsgerechtigkeit, die es hierzulande immer weniger gibt.

Medienberichte, die monatelang suggeriert haben, dass es den Armen in unserem Land zu gut geht, weshalb Geflüchteten die Grundleistungen für Asylbewerber*innen, die Regelsätze des Bürgergeldes und/oder die Renten gekürzt werden müssten, bevor durch andere Medienberichte der Eindruck erweckt wurde, dass es den Reichen hierzulande immer schlechter geht, weshalb Unternehmern mehr Subventionen gezahlt und/oder weitere Steuervergünstigungen gewährt werden müssten, haben ein politisches Klima erzeugt, das es der künftigen Bundesregierung erleichtern dürfte, unsoziale Maßnahmen durchzusetzen.

Armut und wachsende Ungleichheit sollten zu einem zentralen Thema des Bundestagswahlkampfes werden. Auf die Tagesordnung gehören sowohl eine stärkere Anhebung der Regelbedarfe des Bürgergeldes und der Grundleistungen für Asylbewerber*innen wie auch eine stärkere Besteuerung von Hochvermögenden und Spitzenverdienern. Kita, Schule, Ganztagsbetreuung, Mittagessen und Mobilität müssen kostenfrei, Bildung, die soziale Teilhabe und die kulturellen Angebote selbst für alle Familien bezahlbar werden.

Die künftige Bundesregierung steht vor gewaltigen Herausforderungen: Sie muss ihren Beitrag zur Eindämmung der verharmlosend „Klimawandel“ genannten Erderhitzung leisten, die Modernisierung der Infrastruktur unseres Landes vorantreiben, dessen soziale Probleme (Prekarisierung der Arbeit, Verarmung eines Teils der Bevölkerung, Wohnungsnot und Mietenexplosion) lösen sowie den von den Folgen der Covid-19-Pandemie, der Energiepreisexplosion und der Inflation belasteten Staatshaushalt sanieren.


Interessiert an der Wahlkampagne des BDKJ? Klick dich rein!